Doc interviewt: Axxis

13. Mai 2014, 19:59 - interview, axxis, phonotraxx - geposted von DocDesastro

Anmerkung des Autors: Dieses Interview wurde vor der Tour geschrieben, falls Ihr Euch bei einigen Fragen wundern solltet. Durch den Trubel vor der Tour und dem Termindruck seitens der Band erscheint es erst jetzt, aber Ihr werdet nicht enttäuscht sein.

Liebe Schergen, Ich freue mich heute ein ganz besonderes Interview zu führen. Anlässlich zum Erscheinen der Scheibe Kingdom of the Night II, dem 25-Jährigen Bandjubiläum und der auf uns wartenden Tour bin ich erneut mit der Band Axxis in Kontakt getreten. Bernhard, dem Frontmann, bin ich zu besonderem Dank verpflichtet. Er war es, der vor mehr als 4 Jahren meinen Interviewstil prägte. Ich freue mich also auf das, was er uns zu sagen haben wird. Macht es Euch bequem und lest weiter...


DocDesastro (ROCKYOU.fm): Hallo Bernhard. Es ist schön, mal wieder die Gelegenheit zu bekommen, mit Euch zu reden. Seit dem letzten Interview sind bereits 4 Jahre ins Land gegangen. Damals kam die Scheibe "Utopia" raus.
25 Jahre - hättet Ihr geglaubt, so lange durchzuhalten?

Bernhard Weiss (Axxis): Ne, wenn man so drüber nachdenkt: eigentlich unglaublich!


DocDesastro: Jetzt, zum 25. Jubiläum der Band habt Ihr gleich zwei Alben auf einmal herausgebracht. Ein Schelm mag ja fragen, "O.k., das wäre Studioalbum #13 gewesen - sind die etwa abergläubisch?". Warum also zwei Alben?

Bernhard: Es hat sich einfach so ergeben. Wir wollten zum 25-jährigen nur ein Album rausbringen mit dem Titel "Kingdom of the Night Part II". Ich fand, das ist echt Druck genug und die Herangehensweise an das Album war auch gesetzt. Vintage-Aufnahmen und soweit es möglich war, alles so zu realisieren, wie wir es 1989 gemacht haben.
Im Laufe der Zeit kam der Gedanke auf, dass AXXIS ja nicht nur 1989 Musik gemacht hat und im Laufe von 25 Jahren viele Stile ausprobiert und sich auch immer wieder neu definiert hat. Wenn man also wirklich 25 Jahre AXXIS repräsentieren wollte, so müssten auch mehr Songs geschrieben werden .Da war dann schnell die Idee da, 2 Alben aufzunehmen. Und da wir wussten, dass viele "alte" Fans die "neuen" AXXIS kritisch sehen und "neue" Fans genau umgekehrt dachten, entschlossen wir uns zwei Alben getrennt auf den Markt zu bringen. Unser Vertrieb Soulfood sprach wohl von betriebswirtschaftlichem Harakiri, und empfahl uns ein Jahr zwischen den Release vergehen zu lassen... aber... wir haben ja unsere eigene Plattenfirma Phonotraxx und wollten das 25-jährige gebührend feiern - auch wenn es wirtschaftlich gesehen eher riskant ist. Wir sind ja ne Künstlerplattenfirma, da denkt man etwas anders.


DocDesastro: Jetzt ist das Album ja schon über eine Woche im Handel - habt ihr schon aktuelle Verkaufszahlen? Welches der beiden verkauft sich besser?

Bernhard: Also, ehrlich gesagt sind wir vom besten AXXIS-Charteinstieg ever auf Platz 28 überrascht worden. Ist klar, dass wir jetzt schon ein wenig stolz darauf sind, mit Phonotraxx höher in die Charts eingestiegen zu sein, als mit jedem anderen Label. Ob Weiß oder Schwarz besser verkaufen, kann ich jetzt noch nicht sagen, aber ich tipp mal, dass das Schwarze Album einen Hauch vorne liegt


DocDesastro: Woran glaubt ihr, liegt das?

Bernhard: Am Cover


DocDesastro: Jetzt steht ja die zum Release passende 25 Years of Axxis Tour vor der Haustür. Ihr startet in Wuppertal und seid dann mit Nottingham fertig, sofern es keine Abweichungen vom Plan gibt. Auf welchen Ort freut Ihr Euch am meisten?

Bernhard: Da gibt es keine Favoriten. Ich spiele überall gerne. Es gibt aber immer wieder mal neue Orte, wo ich noch nicht war und auf die ich gespannt bin. Zum Beispiel Soest (Alter Schlachthof), jetzt schon ausverkauft oder aber auch das Strom in München - auch ausverkauft! Wird wohl ne geile Tour! Nottingham bin ich auch gespannt, da waren wir noch nie.


DocDesastro: Tri State Corner machen den Support für Euch. Ich hatte mal das Vergnügen, die Scheibe "Historia" zu reviewen - wie seid Ihr eigentlich zu den Jungs mit der Bozouki gekommen?

Bernhard: Bottom Row sowie Drakkar standen sich da nahe und wir haben uns dann über das Internet kontaktiert. Wir haben im Netz ein wenig nachgeforscht und fanden die Musik und die Ausstrahlung der Band super.


DocDesastro: Wie wichtig findest Du, sind die Support Acts für eine Band auf Tour? Geht da alles harmonisch ab oder nimmt man sich bisweilen auch die Butter vom Brot? Was ist eigentlich da die Formel für Harmonie, wenn man mit mehreren Bands auf Tour ist?

Bernhard: Ehrlich gesagt ist das immer von den Vorbands abhängig, die verstehen müssen, dass die Leute Tickets bezahlt haben, um den Headliner zu sehen. Es gibt Vereinbarungen und wenn die eingehalten werden läuft alles rund. Stress gibt es nur, wenn man unerfahrene Bands dabei hat, die gewisse Vorstellungen haben, die leider nicht der Realität entsprechen.

Mit Tri State Corner hatten wir eine erfahrene und super sympathische Band dabei: Da gab es keine Probleme - im Gegenteil! Man kann sagen, dass wir uns auf Tour angefreundet haben und demnächst weiter grillen und Party machen.
Ich muss auch sagen: Das war eine der besten Touren, die wir je gemacht haben. Stimmung unter den Bands, auch zu Lion Twin war super. Wir legen viel Wert darauf, dass wir die Supportbands gut behandeln und sie sich auch gut behandelt fühlen. Denn so eine Tour soll ja positiv im Gedächtnis bleiben. Bisher haben das auch alle unsere Supportbands bestätigt. Also! Solltet ihr irgendwann mal von einer AXXIS-Supportband Schlechtes über uns hören, dann könnt ihr davon ausgehen, dass das Vollpfosten waren.


DocDesastro: Jetzt habt Ihr ja eine Riesenauswahl Lieder auf den zwei Scheiben - was denkt Ihr, werdet ihr auf die Setlist setzen? Ich kann mir ja vorstellen, dass auch ältere Songs (die Evergreens) gewünscht werden.

Bernhard: Puh, das wird und ist immer ein heikles Thema. Unser Plan dabei ist, einen guten Querschnitt aus alten und neuen Songs zu liefern, den wir bei Bedarf täglich ändern können. Sollte die Setlist jedoch ankommen, werden wir sie auf der kompletten Tour durchziehen... wir werden sehen!


DocDesastro: Lass uns doch mal über die Leute sprechen, über die man sonst wenig bis nix hört und sieht. Wenn, dann ist was schief gegangen. Ich rede von der Roadcrew. Wer sind die Leute bei Euch im Hintergrund? Magst Du sie mal den Lesern vorstellen?

Bernhard: Klar, sie sind ja mit am wichtigsten. Drei Leute sind fest dabei. Da ist zum einen "Charly" Czajkowski, unser Soundmann, dem wir blind vertrauen und der bisher alle technischen Herausforderungen, die uns vorgesetzt werden, gemeistert hat. Früher war er bei Rage, macht heute noch Subsignal und hat ein Tonstudio sowie ne PA in Hamm.
Dann ist da Sascha Schwulera, unser Backliner, den man auch locker als Mädchen für alles bezeichnen kann. Ob Drums, Keys, Gitarre, Backdrop, Sidedrop, Nebel, Wasser, Handtücher... He's the man!
Und dann noch unser Uwe Harr. Früher Hardcore AXXIS-Fan und seit 25 Jahren treu dabei! Diese Zeit hat er genutzt um zum Merchandiser aufzusteigen. Alles Leute, denen wir blind vertrauen


DocDesastro: Gibt es eigentlich bei Euch feste Rituale und No-Gos, wenn ihr auf Tour seid?

Bernhard: Jeder hat da seine eigenen Rituale. Ich z.B. brauch vor der Show Ruhe, ne Dusche und nen Klo. Gemeinsam klatschen wir uns alle vor der Show nochmal kurz ab und dann geht's los..
Im Tourbus gibt es natürlich auch ein paar Regeln. Gerade wenn viele Leute auf wenigen Quadratmetern leben müssen. Sich nicht gegenseitig auf den Keks gehen, Respekt und den Freiraum des Andern akzeptieren, Leute besonders die Crew oben schlafen lassen oder so Sachen wie, wer raucht wo und wann und tausend andere Kleinigkeiten..aber das regelt sich alles automatisch.


DocDesastro: Was gefällt Euch auf Tour am besten und wovon seid ihr am meisten genervt? Was vermisst Ihr am meisten?

Bernhard: Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie die Chemie unter den einzelnen Leuten, die gemeinsam auf Tour sind, sich ständig neu darstellt und verändert. Konflikte müssen gelöst werden, technische Problem gemeinsam gemeistert werden, all das schweißt im Laufe einer Tour zusammen. Jeder Tag bringt da irgendwas Neues.
Musikalisch ist es immer wieder geil zu sehen bzw. zu hören, wie die Songs, die gerade noch im Proberaum eingeprobt wurden, immer besser und perfekter werden. Das die Musiker, die einen Song performen, musikalisch immer mehr zusammenwachsen und anfangen zu experimentieren und sich auszutesten. Und die Reaktionen im Publikum zu spüren. Das ist das was Musik ausmacht! Vermissen tu ich, außer meiner Familie, nichts auf Tour.


DocDesastro: Bevor wir zur aktuellen Scheibe kommen - lasst uns erst mal kurz über die reDISCOvered reden. Mir persönlich hat sie ja großen Spaß gemacht. Wie kamt Ihr auf die Songauswahl, ich meine, da sind ja Lieder bei, die ich mir nicht wirklich als Metal-Version vorstellen konnte bis dato.

Bernhard: Ja, ein geiles Album, welches auch Spaß machen sollte, aber auch als Statement gemeint war. Coversongs und Coverbands! Ein heikles Thema, denn überall wo wir hinkommen spielen sie. Musiker, die selber keine Songs erfolgreich gebacken bekommen, sich dann als Coverband an den Erfolg der Großen dranhängen und dann die Kohle abgreifen...Horror. In meiner Ecke spielen sie überall und jede noch so talentierte junge Band hat keine Chance, nen Gig zu bekommen. Viele auch bekannte Musiker sind nebenbei noch in Coverbands tätig, oder aber spielen in 10 anderen Bands um ihr Einkommen zu sichern. Eine Ursache liegt für mich auch in den illegalen Downloads, die auf die Musiker pissen, die selber kreativ sind und versuchen ihr Herzblut in eigene Songs zu stecken. Da ist es echt einfacher zu sagen, lasst die Großen die Arbeit mache und wir machen von denen ne Coverband. Was für ein Signal soll davon ausgehen... Klauen macht Sinn? Also dachten wir uns, da klauen wir doch mal und schauen, was man daraus machen kann...und? Es lief super!
Jetzt wollten wir nicht irgendein Coversong-Album machen. Wir dachten und es wäre reizvoll manche Songs, wie "Roboter" oder "Ma Baker" anders darzustellen. Bei anderen Songs, wie "Stayin Alive" oder "Owner of a Lonely Heart" war für uns die Frage, wie nah kommen wir an das Original ran! Ich meine, das sind Weltproduktionen, wenn wir da nah rankommen sollten, wär das der Hammer. Ich hab da beim Mixen echt viel gelernt und wenn man solche Welthits analysiert, aufnimmt, bearbeitet und mischt bleibt viel Knowhow hängen...vielleicht hört man das bei dem einen oder anderen Song von "KIngdom of the Night II".


DocDesastro: Werdet Ihr das vielleicht nochmal machen oder war es eine einmalige Sache? (noch ein Coveralbum)

Bernhard: Das war ein einmalige Statement und als einmalige Sache gedacht, aber wie ich schon 1989 zu sagen pflegte: never say never.


DocDesastro: Nun zur aktuellen Scheibe: Wann habt Ihr damit angefangen, Lieder für das Doppel-Album zu schreiben? Wie lange dauert das bei Euch, bis ein Song "spruchreif" ist?

Bernhard: Im Januar 2013 fing das Songwriting dafür an und Harry hatte direkt den Riff zu "Hall of Fame" am Start. Bei so einem Einstieg ging es direkt gut ab. Spruchreif ist ein Song dann, wenn er fertig ist, da gibt es keine Regeln. Die Frage ist nur: Wann ist er fertig? Da ist dann Harry an meiner Seite, der mich gut bremsen kann.


DocDesastro: Wovon habt Ihr Euch bei den Texten inspirieren lassen?

Bernhard: Da gab es ganz viele unterschiedliche Eindrücke, persönliche Erlebnisse oder auch Ideen. Mit "Living in a Dream" oder "Kingdom of the Night Part II" wollten wir textlich den Bogen von 1989 zu 2014 schlagen. Was ist aus den Träumen und Visionen von 1989 heute geworden. Da konnte wir ganz klar Positives "vertexten".
Ansonsten sind unsere Texte stark vom Privatleben und unserem persönlichen Umfeld geprägt. Auch politisches oder subjektive Ungerechtigkeit sind willkommen Themen. Ehrlich gesagt ist AXXIS für mich auch eine Art Psychologe, wo ich all das raus lassen kann, was mich zum Zeitpunkt des Songwritings beschäftigt oder auch quält. Hört man sich unser Scheiben von 1989 bis 2014 an, so kann man eine schöne Zeitreise, vom Fall der Mauer, Ost/West Konflikt; Umweltkatastrophen bis zum digitalen Zeitalter nach hören, aber auch privates, wie meine Zivi-Zeit bis zum Tod meines Vaters. z.B. Sind schon alles sehr persönliche Scheiben.


DocDesastro: Der Song "21 Crosses" arbeitet ja die Loveparade auf. Was war Euer Beweggrund dafür zu sagen, ok, lasst uns einen Song darüber schreiben?

Bernhard: Wir hatten eine Ballade, die nach einem wirklich guten Thema schrie, doch mir fiel nix interessantes ein und wir wollten sie schon gar nicht mehr machen, da kam die Loveparade-Trauerfeier in Duisburg. Da ich hier im Ruhrgebiet lebe und stark mit dieser Tragödie mitgelitten hatte, war die Idee schnell geboren. Einer der Opfer kam aus Lünen, meiner Heimat Stadt. Außerdem hatte ich vor Jahren in Duisburg studiert und habe die Verwaltung ebenfalls etwas... naja... "dubios" kennengelernt. Als die juristische Aufarbeitung nun anfing konnte ich es nicht glauben, wie nun die kleinen Beamten und Befehlsempfänger gehängt werden und die Verantwortlichen davonkommen...unglaublich skandalös! ...und das in einem Rechtsstaat! Aber er heißt ja auch nicht Gerechtigkeitsstaat.
Was uns jedoch wirklich bewegt, sind nun die Reaktionen der Eltern der Opfer, die den Song total berührend finden und sich bei uns bedankt haben, dass wir den Opfern ein musikalisch Denkmal gesetzt haben - puh... das geht unter die Haut!


DocDesastro: Also verarbeitet Ihr ein gerüttelt Maß Sozialkritik in der Scheibe. Beim Song "Mary Married a Monster" kamen mir ähnliche Gedanken. Vielleicht möchtet Ihr dazu selber ein paar Worte verlieren. Warum dieses Thema und warum gibt es diesen Song gleich zweimal?

Bernhard: Ne, nicht immer Sozialkritik, aber eben auch, wenn es uns persönlich betrifft. "Mary Married a Monster" ist ein realer Fall aus unserem Freundeskreis. Auch hier verarbeite ich eine Sache, die ich nicht in meinen Kopf hinein kriegen will. Wie kann ein hübsches Mädchen bei ihrem Partner bleiben, wenn dieser sie regelmäßig schlägt? Wieso rechtfertigt sie dies bzw. findet Entschuldigungen für sein Verhalten. Warum lehnt sie unser Hilfe ab, um aus der Sache rauszukommen? Als das brachte mich auf die Idee, eine Song zu schreiben, der einmal ihre Sicht und einmal unsere Sicht der Dinge darstellt. Wie geht das besser als die Songs dann auch noch auf einem schwarzen und weißen Album getrennt zu veröffentlichen?


DocDesastro: Liegt Euch vielleicht noch ein weiterer Song am Herzen, über den Ihr gerne noch ein paar Takte verlieren wollt?

Bernhard: Alle liegen uns am Herzen. Das würde den Rahmen sprengen und ich tipp mir hier gerade den Wolf.


DocDesastro: Diesmal hast Du das Cover selber gestaltet, Bernhard. Was ist aus Dodge geworden?

Bernhard: Nicht nur dieses Mal.
Das Coversong-Album und auch die "20 Years of AXXIS" DVDs stammen von mir. Dodge hatte noch das Utopia Album gemacht und da wir ja unser eigenes Label haben, war für uns damit die AFM-Phase auch grafisch abgeschlossen. Dodge hatte uns aber auch zu verstehen gegeben, dass er sich etwas umorientieren will. Außerdem ist es nochmal einen Schritt geiler, nicht nur die Musik aufgenomen und gemischt zu haben, sondern ALLES, die komplette CD, das Booklet, die Vinyl...geiles Gefühl! :-)


DocDesastro: Subtil ist auf den Rückseiten der Alben das Yin-Yang-Zeichen zu sehen, zusammen mit einem Hinweis, dass das jeweilige Album das andere braucht. Das ist sicher kein Marketing-Gag, da steckt mehr dahinter. Magst Du was dazu erzählen?

Bernhard: Als wir uns entschlossen haben, zwei Alben auf den Markt zu bringen, wollten wie den Fans die Entscheidung überlassen, welches sie favorisieren. Nicht jeder mochte unseren verschiedenen Phasen und Entwicklungen. Schwarz und Weiß sind gegensätzlich, sie polarisieren aber im Yin-Yang Zeichen sind sie eine Einheit! Denn auch wenn wir manchmal polarisieren oder uns ausprobieren, verschiedene Stile und konträre Songs auf den Markt bringen, so sind sie alle von einer Band: AXXIS!
Von daher passte das Yin-Yang Zeichen farblich und von der Aussage her perfekt.


DocDesastro: Und was könnt Ihr uns über die Leute im Hintergrund, z.B. am Mischpult sagen?

Bernhard: Nun ja, dass waren Harry und ich und was soll ich dir über Harry sagen? Nen cooler Typ. Gemischt hab ich beide Produktionen, genauso wie die DVD und die Coversong-CD. Alles bei uns im Soundworxx Studio. Es wächst und gedeiht.


DocDesastro: Gerade beim weißen Album fühlt man sich klanglich auf erfrischende Weise zurück in die späten 80er versetzt. Wie kommt es?

Bernhard: Das war unser Ziel! Dass wir das auch erreicht haben, freut uns! Viele junge Produzenten versuchen dies oft auch. Wir haben dabei den Vorteil: Wir sind Zeitzeugen und wissen, was damals gemacht wurde und vor allen Dingen wie.


DocDesastro: Wenn ich bei mir im Freundeskreis umher frage, werden oftmals Bands abgelehnt, weil sie zu überproduziert und steril klingen. Teilt ihr die gleiche Meinung? Gibt es heutzutage zu viele Musiker, die eigentlich ohne PC nichts können?

Bernhard: Naja das hat mit dem PC wenig zu tun. Damit kann man natürlich auch ganz kleine feine Songs aufnehmen ohne viel Gedöns. Aber klar, oftmals verleitet er dazu, alle Plugins und virtuellen Instrumente einsetzen zu wollen. Warum? Weil man sie hat! Wer so an Musik rangeht hat schon ein Problem.
Aber ich gebe dir recht. Oftmals verstecken sich hinter vielen fetten Produktionen Bands die live ohne Laptop nicht mehr auskommen können. Wenn ihr wüsstet, wie viel das sind...unglaublich!
Ich persönlich mag es, wenn die Musik und auch die Produktion oberflächlich betrachtet "einfach klingt" und für den Hörer gut nachvollziehbar ist, in Wirklichkeit aber vielschichtig und extravagant produziert wird.
Die Hörer sollen immer wieder neues in der Musik und dem Mix entdecken. Das hört man natürlich erst, wenn man sich damit beschäftigt! Unsere immer sehr guten Mitmusiker können davon ein Lied singen.
Ein Professor aus Köln hat 1993 unsere harmonischen Abläufe und unser Songwriting analysiert und sie als Beispiele für die Weiterentwicklung moderner Harmonieführungen in Bezug auf Melodien genutzt. Das fanden wir damals total interessant, aber haben wir natürlich intuitiv gemacht, nicht geplant.


DocDesastro: Wie hat sich denn das Equipment in 25 Jahren grundlegend verändert? Und hat es sich nur zum Positiven verändert?

Bernhard: Klar, es hat sich total vom teuren Outboard-Equipment in die digitale Kopie desselben gewandelt. Ob das positiv ist kann ich schwer beantworten, aber es ist schon komisch, wie die digitale Studiowelt sich gewandelt hat... auf alle Fälle ist es billiger geworden.
Ich erinnere mich, als damals die ersten CDs raus kamen, wie laut alle geschrien haben: Jetzt kein Tonbandrauschen mehr, keine Dolbyrauschunterdrückung mehr, kein Bandsalat und es wurde gefeiert!
Heute simuliert man PlugIns, die Bandrauschen oder aber auch Bandsättigung simulieren.
Also, erst entwickelt man eine Technik, die die Outboard-Hersteller pleite gehen lässt, um sie Jahre danach digital zu simulieren.
Die digitale Aufnahmetechnik hat eben Vor- und Nachteile. Vorteil für den Produzenten ist, dass es günstiger ist, man schneller kopieren kann, besser in das Material eingreifen kann, die Musiker nicht mehr so lange quälen muss. Nachteil: Jeder, der es vielleicht besser gelassen hätte Musik zu machen, kann heute eine CD aufnehmen. Der Markt entscheidet was gut und was schlecht ist und er hat sich eben für eine Richtung entschieden.


DocDesastro: Auch sind immer mehr Musik-Flatrates auf dem Vormarsch, einzelne Tracks und ganze Alben gibt es vermehrt digital. Wie stehen Axxis dazu?

Bernhard: Technisch und vom Vertrieb aus ne super Sache, aber die Bands werden abgezockt und bekommen nix dafür... nur Alibigroschen. Während sich die Telekom mit Millionen Summen in den Spotify-Content einkauft, bekommen Bands dafür Geld mit 5 Nullen nach dem Komma überwiesen. Diese Milliarden-Konzerne zahlen keine Steuern und verarschen Staat und Bands. Das geht ganz einfach: Der Staat ist blöd und die Lobby der Bands ist schlecht...schon kann man abzocken. Leider werden diese Folgen erst in Jahren Konsequenzen tragen, wenn die Altstars weggestorben sind und der letzte professionelle Musiker in einer Coverband verkommt.


DocDesastro: Wie steht Ihr als Band dem Medium YouTube gegenüber? Habt ihr den Usern was zu sagen?

Bernhard: Den Usern nix, aber auch hier ist ein Konzern am Start, der mit dem teurer aufgenommenen Content der Bands und auch der Videofreaks Milliarden verdient ohne große Stücke davon abzugeben. Wer ist die Lobby? Die User, die sich vor den Karren diese Megakonzerns spannen lassen und es selber gar nicht merken. Und die Bands stehen da und denken, warum ist es klar, dass man für Brötchen Geld bezahlen muss, aber Musik darf umsonst verbreitet und genutzt werden?! Die Antwort: Weil es geht!


DocDesastro: Hat sich in den letzten Jahren für Euch in Bezug GEMA/GVL etwas verändert oder verbessert?

Bernhard: Die Einnahmen werden einfach immer weniger, obwohl die Nutzung der Songs steigt. Aber das Geld ist ja da, nur nicht mehr bei uns...Würde gerne mal ne Rechnung an YouTube und Spotify schicken.


DocDesastro: Ihr gehört ja zu den Bands, die nicht länger Spielball der Musikindustrie sein wollt. Das habt ihr ja bewiesen, indem ihr Phonotraxx, euer eigenes Label gegründet habt. Was könnt Ihr unseren Lesern darüber erzählen?

Bernhard: Der Gedanke dazu war schon im Jahr 2000 da. Kurz vorher hatte ich mein eigenes Tonstudio aufgebaut, was uns den ersten Schritt in die Unabhängigkeit verschafft hatte. Dann wurde unser Musikverlag gegründet mit dem Namen Phonotraxx Publishing. Die Gründung des eigenen Labels war ein logischer Schluss, aus der Entwicklung immer unabhängiger zu werden. Heute sind wir so weit, dass wir von der Musikproduktion, von den Covern, den Booklets, von den Anzeigen, den Marketingkampagnen bis zur Auswertung alles komplett selber machen. Die Erfahrungen, die wir gerade sammeln sind Gold wert und ich ärger mich schwarz, dass wir diesen Schritt nicht schon eher gegangen sind. Davon profitieren konnten bisher zwei Bands, die wir gesignt haben. Mercury Falling und Dawn of Destiny, die bereits nach "Praying to the World" ihr zweites Album "F.E.A.R." bei uns rausbringen. Ein Hammer Konzeptalbum mit Jon Oliva & Mats Leven!
Wir würden da noch gerne mehr Bands unter Vertrag nehmen, und denken, da auch eine spezielle und auch eine unvergleichliche Nische anbieten zu können. Wir sind eine Plattenfirma von Künstlern für Künstler. Ein wie ich finde interessantes Konzept. Aus AXXIS wurde so langsam ein 360-Grad unternehmen oder nennen wir es einen kleine kreative Zelle im Musikmarkt-Getriebe.


DocDesastro: Casting-Shows sterben ja leider nicht aus. Wie stehen Axxis dazu? Macht man sich damit sein Image kaputt, wenn man sich mit sowas abgibt oder eröffnet dies auch Chancen? Könntet Ihr Euch vorstellen, die "Kingdom of the Night", also das Debüt, jemals in einer Casting-Show präsentiert zu haben? Hättet Ihr Euch als damals noch unbekannte Band bei sowas beworben?

Bernhard: Nein, wir hätten uns da nicht beworben. Wir sind ne Band und für die Karriere machen wir nicht alles! Die Wahl für mich Rockmusik zumachen ist bzw. war ein Lebensgefühl, welche gegen das Establishment war, gegen die Spießer, gegen das Alte, was abgelöst werden sollte. Heute steht man ja auf Spießer! Sieh Sparkassen Werbung. Wer macht denn heute noch aus den Gründen heraus Rockmusik. 80% der Bands, die heute gesignt werden sind Hobbytruppen oder aber von den Endorsern gesponsorte Litfaßsäulen. Wie solle man mit so einem "Human Kapital" noch fette Erfolge erzielen, vor allen Dingen mit wem? Die Labels sind doch alle tot. Gibt doch nur noch ne Hand voll. Und was machen die um ihre CDs zu verkaufen? Sie erfinden Castingshows , schaffen zuerst die Nachfrage und danach kommt das Produkt, die CD, auf den Markt! Klar sterben die Castingshows nicht aus. Welche Plattenfirma schickt denn heute noch eine unbekannte Band erst auf Toilettentour, lässt sie langsam eine Fanbase aufbauen, gibt der Band "Entwicklungshilfe" und profitiert dann davon. So war's bei uns und all den alten Rockstars, die es heute noch gibt! Heut sitzen bei den Labels doch keine Leute mehr die die Eier haben und auch das Wissen, dass sie was ganz großes gesignt haben. Die signen einfach alles.


DocDesastro: Wohin glaubt Ihr, geht der momentane Trend im Metal hin?

Bernhard: Einen Trend kann ich nicht erkennen. Es gibt eine Menge an Zeug, was durch das Internet verbreitet wird und die Leute, die damals gefiltert haben, gibt's nicht mehr. Die A&Rs der Vergangenheit sind weg! Auch wenn man ihnen damals unterstellt hatte, sie würden bestimmte Bands featurn oder im Markt durchdrücken wollen, so haben sie aber eben auch eine Funktion erfüllt: Den ganzen Schrott vom Markt fern zu halten!

Anmerkung des Autors: Artists & Repertoire. Eine Abteilung, bei der man früher Demotapes einsandte, in der Hoffnung, dass die Musik zum Stil des Labels passt. A&R-Manager suchen nach neuen musikalischen Trends, die für die Plattenfirma kommerziell verwertbar sind. A&R-Mitarbeiter treffen die Entscheidung darüber, Künstler unter Vertrag zu nehmen, und sind für ihre Betreuung zuständig. Auf diese Weise geben A&R-Manager dem Plattenlabel ihr Profil.

Heute rollte auf die Fans eine unglaubliche Welle an Kopien der Kopien der Kopie vom Original an. Also, ich bin da überfordert und sehne mich auch im Radio nach Persönlichkeiten, die mir ihren privaten Musikgeschmack schmackhaft machen. Früher gab's mal Mal Sandock, der viel Musik vorgestellt hatte, auf die ich nie gekommen wäre. Heut im Radio hör ich nur noch Schrott, oder aber Songs aus der Zeit, wo Persönlichkeiten was empfohlen hatten... man nennt das dann Oldies. Bin gespannt, ob die aktuelle Generation in 20 Jahren auch Ihre Oldies hat oder ob dann immer noch der gleiche Mist läuft.
Musikalisch fällt mir auf, dass viele Instrumente gut virtuell erzeugt werden können und viele Bands davon Gebrauch machen. Nur Sänger eben noch nicht. Liegt es eventuell daran, dass fast alle mit growlen anfangen? Oder ist es doch nur ein Trend? ...mh...


DocDesastro: Wie denkt Ihr über Festivals? Gerade die großen Festivals wie Wacken oder Rock am Ring geraten ja zunehmend in die Kritik. Zuviel Abzocke, zu wenig "Metal", zu populär. Wie denkt Ihr darüber?

Bernhard: Tja, so ist das, wenn man Erfolg hat. Die Luft wird oben immer dünner. Und es kommt eine typisch deutsches Dilemma hinzu! Wenn viele etwas lieben und es dadurch erfolgreich wird, wird es zum Mainstream...und der darf im Metal auf keine Fälle auftauchen!! Sofort ist das, was alle lieben sofort negativ besetzt und wird unglaubwürdig oder man fühlt sich abgezockt.
Aber man sollte auch die Kirche im Dorf lassen. Wacken hat es verdient durch den jahrelangen Aufbau des Festivals, jetzt auch die Früchte tragen zu dürfen. Wär ja echt unmotivierend, wenn die Leute von dem Erfolg nicht profitieren dürften. Auf der anderen Seite müssen sie den Spagat zwischen Glaubwürdigkeit und Geldgeilheit hinbekommen. Aber ich glaube, das schaffen die, denn noch hören sie auf Fans und Kritiker und verbessern wo es geht. Im Endeffekt entscheidet die Nachfrage -also das Publikum.


DocDesastro: Könntet Ihr Euch vorstellen, selber ein Festival zu organisieren oder überlasst Ihr das dankend anderen?

Bernhard: Wir spielen hier und da mal mit dem Gedanken, aber bei dem Überangebot an Festivals, bin ich nicht sicher, ob man noch eins braucht!


DocDesastro: Welche Pläne habt ihr mit Axxis/Phonotraxx in Zukunft?

Bernhard: Da gibt es viel! Andere Bands suchen, neue Künstler aufbauen...all das ist total spannend und es ist toll zu sehen, welche Impulse wir in der Szene setzten können.
Schon alleine die Musiker und Bands, die wir entdeckt haben und die ihren Weg gehen oder auch die vielen Unbekannten, die sich von uns haben inspirieren lassen. Das wollen wir weiter betreiben und den einen oder anderen Impuls für die Zukunft und die Szene liefern.


DocDesastro: Rein hypothetisch: Axxis für den Eurovision Song Contest 2015?

Bernhard: Ne! Das haben schon viele andere versucht und ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Ich kann Axxis da nicht sehen.


DocDesastro: Ich danke Euch für das Interview und die Zeit.

Bernhard: Gerne!