Bewertung 5/6 Pommesgabeln
Genre Dark Metal
Label Blacksmith
Releasedatum 7. Dezember 2011

Sintech - Schlampenfeuer

1. Oktober 2012, 00:37 - sintech, review, blacksmith - geposted von Janus

Hallo Freunde der Nacht! Diesmal hab ich etwas für euch,
was mich einige Zeit lang im Voraus zum Sabbern gebracht hat.
Der Promotion-Text hat mich als eingefleischten Düstermetaler schon ziemlich rattig gemacht.
Rattig ist dann auch schon das Stichwort - ich möchte euch diesen Promotion-Text nicht vorenthalten:

Schlampenfeuer provoziert,
Schlampenfeuer ist Programm!
Wenn Sex auf Gewalt trifft und Wahnsinn sich
lustvoll am Ekel ergötzt,
wenn die abartigsten Gedanken ihren Reiz
entfalten und sich provokant zur
modernen Schönheit stilisieren,
dann ist man im Bann von SINTECH.

Die ursprüngliche Band der
Varg-Mitglieder Zasch und Timo ist
zurück, kranker und hasserfüllter als
jemals zuvor.

Eine Symbiose aus Rammsteins, neuer
deutscher Härte und Eisregens
Phantasiewelten.
SINTECH ist eine
apokalyptische Antwort auf die
perfiden Fragen unserer Zeit,
eine subversive Empörung gegen alles
Einfältige, Prüde und Biedermeierische
und ein freigeistiger Rundumschlag,
der jedem Moralisten einen kalten
Schauder über den Rücken treiben
dürfte.

Die Versprechungen klingen in der Tat wie eine erotisierende Variante alteisregenscher Romantik aus Zeiten der Krabbenkolonie.

Wer auch mal reinhören will, kann das auf ihrer MySpace-Seite tun oder "Schlampenfeuer" auf Youtube lauschen.

Das Intro beginnt orchestral mit unverständlichem Geflüster. Das Klanggebilde baut sich schnell auf und wird zu einem brummenden Teppich, ähnlich einer Art Stimmengewirr. Dann setzt ein Sample ein, welches das Vater-Unser vorträgt... Mittlerweile hat auch ein Chor eingesetzt und unter ersten Klängen des Sängers folgen weitere kurze Samples, bis schließlich auch die Band einsetzt. "Gott ist heute nicht hier" begründet dann den Anfang vom Ende.

Track 2 verzichtet erstmal auf orchestrale Schnörkel und wetzt direkt los. Der Fronter kotzt sich gemütlich die Seele aus dem Hals - und das nicht allein. Thomas Gurrath, der blutbesudelte Stammkotzer von Debauchery, sorgt für die ganz tiefen Töne. Das Riffing ist heavy und wechselt zwischen heavy und einem hohen verzerrten Pitch. Zwischenzeitig wird mittels Keyboard ein bisschen Atmosphärendichte gebaut und ein "Wassertropfen-fällt-in-Höhle"-Sample tut sein übriges. Trefflich zu den Vocals geht das Tempo entsprechend runter. Das ist dann der Zeitpunkt, in dem die Gitarren tatsächlich begleitend wirken. Die Drums hämmern beständig und dominant durch den Song. Der Wind trägt uns dann davon...

Weiter gehts mit "Avantgarde", wo wir, neben dem wütenden Gekotze des Vokalisten, auch den Chor wiedertreffen. Avantgardistisch gibt es in Minute 3 dann auch einen Break mit einer tragenden Lead-Gitarre samt verstörender Melodie und geflüsterter und verhallendem Gesang. Im Rest des Songs riffen die Gitarren rockig vor sich hin und die Drums werden ordentlich verkloppt. Das Highlight liegt hier aber klar im Break.

Track 4 - "Hassorgasmus" - hat einen sehr ansprechenden Titel. Leider löst es keinen Ohrgasmus bei mir aus, vom Orgasmus noch ganz zu schweigen. Das Riffing ist einfach sehr ordentlich, genau wie die Drums. Die Keys im Hintergrund wirken durchaus förderlich fürs Klangspektrum, aber für meinen Geschmack zu viele Worte in zu kurzer Zeit, was die ersten 2 Minuten angeht. Danach entdecke ich hier vor allem Parallelen zu Circle of Griefs "Fading away" und den mittelspäten Cradle of Filth. Man kann zwar durchaus Hass aus dem Song ziehen, aber das mit dem Orgasmus...

"Jünger des Nichts" beginnt langsam und orchestral und greift wieder "Gott ist heute nicht hier" als Thema auf. Pompös bollert es, wie es Wagner kaum besser hinbekommen hätte. Mag sogar sein, dass es sich hier um ein Stück aus der Klassik handelt - es kommt mir verdächtig bekannt vor.
Im späteren Verlauf riffen die Gitarren in ordentlichen kantigem Stil mit - bis das aufgebaute Klanggefüge durch einen Break unterbrochen wird. Geflüsterter Gesang und relativ cleane Arpeggios mit viel Hall und ein gedrosseltes Drumset bauen erstmal heimeliges Feeling auf. Im Hintergrund kommt nun wieder der Chor dazu und eine Gitarre beginnt zu riffen, bis es irgendwann wieder deutlich lauter wird. Die Vocals werden jetzt von einem weiteren Chor unterstützt. In Minute 5 wird es dann schrill und wieder lauter. Mit hysterischem Geschrei werden wir aus dem Song geleitet...

... und ins "Feuer" von Song Nummer 6 geworfen. Hämmernde Drums, Geschrei, schwarzmetallisches Geriffe. Textlich bedient man sich ein bisschen bei den Kollegen von Rammstein ("Benzin", "Feuer frei ...) Musikalisch gibt es viele kleinere Cameo-Auftritte, unter anderem der Melodie-Linie von "Hall of the Mountain King (Schwanensee, Harry Potter, Rainbow, so viele Versionen...). Später wird im klassischen Blackened-Dark-Metal-Stil das Tempo wieder angezogen und der Song geht ohne wirkliches Highlight zu Ende. Schade. Außer provokanten Anleihen war hier nicht viel.

"Geistgeschwür" beginnt mit Keys und stampft dann riffend erstmal gut los. Zu den kotzigen, wütenden Vocals gesellen sich später noch raue und verzerrte und sogar noch Sprachsamples. Die meiste Zeit während der Vocals ist das Tempo eher getragen - und zum Refrain gibt es sogar noch den Chor, der mitsingt. Nett - wirkt nur ein bisschen aufgesetzt, wenn so ein Chor mit zarten Stimmchen singt: "Jeder neue Tag gleicht der Erde auf meinem Grab - Jede neue Nacht ein weitrer Nagel in meinem Sarg."

Nummer 8 ist "Narbenacker" - und es beginnt mit einem Klang-Dejavu a la Cradle of Filth, kurz später eine kleine Hommage an das Rothkehlchen und inhaltlich mit "Hässlich, du bist so hässlich" gleich noch ein kleiner Gastauftritts einer Textpassage aus Rammsteins "Morgenstern". Davon ab Up-Tempo Beat, passendes Riffing, Keys im Hintergrund. Leichtes Bass-Sumpfen - überschrien vom mittlerweile von mir zum Diplom-Meisterkotzer mit Auszeichnung ernannten Fronter. Weitere Text-Anleihen gibts auch noch, diesmal an Eisregens "Des Blutes Nachtgewand" (so der Titel der nicht-indizierten Variante) und eines weiteren nicht näher genannten Titels von der "Wurstwasser"-Scheibe. Kleine Choral-Keyboard-Passagen haben sich im Hintergrund ebenfalls noch eingefunden um die Atmosphäre abzuichten.

Wo wir gerade bei Atmosphäre sind. Song Nummer 9 - "Mein Reich komme" - beginnt wirklich gruselig und auch als es lauter wird dominieren Dissonanzen das Klangbild. Ein Break - Choräle im Hintergrund, eingeworfene Schreie, einsetzende verzerrte Akkorde... Wir sind inhaltlich und teils auch musikalisch irgendwie bei Rammsteins "Mein Teil" angekommen - nur irgendwie härter. Die Vocals sogar mal beängstigend ruhig und clean. Der Rest des Songs ist eher riff-dominiert und das auch wirklich überzeugend. Immer wieder kleine Lead-Gitarren Features mit kleinen Licks und Interludes. Das Ganze macht bei mehrmaligem Hören sogar wirklich Spaß, weil man immer noch ein bisschen was Neues entdeckt - kleine Feinheiten, wie beispielsweise dissonante und extrem hohe Violinen, die kurz einsetzen.

"Totenkleid" ist ein mit Samples gespicktes Cover vom mittlerweile doch schon öfter kopierten "Die schlesischen Weber" bzw. dem "Weberlied" von Heinrich Heine. (Mehr Infos dazu auf Wikipedia)
Hier gibt es sogar noch elektronische Samples zu den wütenden Vocals, den knarzigen Gitarren und dem Drum-Gehämmer. Nahezu alles, was bisher schon an Stilmitteln auf dem Album vorkam, wurde hier erfolgreich verwoben - eine wirklich interessante Interpretation des Stoffes.

Der vorletzte Track ist "Frost" - und der kommt winterlich wütend daher. Auch hier wieder gewohnt solides Riffing, kurze kontrastierende dissonante Riffs, der Chor im Hintergrund und ein weiterer kontrastbildender Chor mit den Vocals des Fronters. Kleine Breaks unterbrechen die Routine, später setzen auch die Keys wieder ein und eine Art Bericht eines alten Kriegsherren oder sowas in der Art wird geradezu vorgetragen.

Den Abschluss macht "Narrenbrut". Es beginnt mit cleaner und delay-behafteter Gitarre und glockenklarem Mädchengesang. Und auf den Punkt startet dann die wie üblich ordentlich verzerrte Gitarre und rifft los. Die Drums legen auch ordentlich los und die später einsetzenden Vocals werden auch wie üblich solide wütend reingekotzt. Später dann ein orchestraler Break, bei dem kurz das Tempo rausgenommen wird - aber eben nur kurz. Danach wirken die Keys und Choräle dann im Hintergrund mit am Klangbild der herrschenden Gitarren und Drums. Zum Schluss erneut ein solcher Break, der uns dann aus dem Album führt.


Tracks:

  1. Intro (2:08)
  2. Schlampenfeuer (4:24)
  3. Avantgarde (4:37)
  4. Hassorgasmus (4:33)
  5. Jünger des Nichts (6:09)
  6. Feuer (5:12)
  7. Geistgeschwür (3:53)
  8. Narbenacker (3:17)
  9. Mein Reich komme (4:22)
  10. Totenkleid (6:05)
  11. Frost (5:47)
  12. Narrenbrut (6:24)

Gesamtspielzeit: 56:51 Minuten


Fazit:

Ich fass mich mal kurz. Ich sabbere nicht mehr. Zu sagen ich wäre enttäuscht, trifft es nicht.
Obwohl die Versprechungen irgendwie ja schon in Ansätzen der Wahrheit entsprechen...
kommt das vorliegende Material einfach nicht an diese großen Idole heran.
Weder die Provokanz von Rammstein, noch die verklärte morbide Romantik Eisregens lässt sich finden. Hier und da gibt es vereinzelte Anleihen, aber der Vergleich würde Alles in Allem dennoch hinken.

Das bedeutet nicht, dass die Scheibe schlecht ist. Im Gegenteil, das Teil ist an sich sehr ordentlich geworden. Mir persönlich fehlt ein bisschen der Bass-Groove, oder mal ein eigenständiger Bass-Lauf. Dafür gibt es Choräle und Chöre, Orchestereinsätze, einen Gastauftritt vom Bloodgod himself - und die Jungs von Sintech selbst sind jeder für sich mehr als solide auf dieser Scheibe vertreten.

Besonders zu nennen ist hier wohl der Fronter, der sich bei Zeiten wirklich die Seele aus dem Hals gekotzt hat. Sogar die cleanen Passagen klingen ordentlich, was ja in dem Metier eher selten ist. Einziger Negativ-Punkt liegt hier beim Timing im Song "Hassorgasmus". Kotzige Vocals in einem sonst eher in Hip-Hop auffindbarem Sprachtempo sind zwar mal was anderes - aber leider nichts, was ich öfter hören wollen würde.

Lange Rede - Kurzer Sinn. Die Platte ist ordentlich und auch einen Griff zum Reinhören ins Genre wert.
Aber es fehlt ein richiger Kracher, etwas, das Einen richtig vom Hocker fegt oder sofort zum Mitwackeln bringt. Positiv ist allerdings, dass das Ganze so anspruchsvoll und detailliert produziert ist, dass man bei mehrmaligem Hören immer noch kleine Feinheiten entdeckt. Deshalb...

...gibt es von mir: 5 von 6 Pommesgabeln!