Bewertung | 4/6 Pommesgabeln |
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Genre | Post-Hardcore |
Label | Noizgate Records |
Releasedatum | 13. Juni 2014 |
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Watch Out Stampede! - Reacher
26. Mai 2014, 19:20 - review, noizgate-records, watch-out-stampede - geposted von DocDesastroWatch Out Stampede! sind eine relativ junge Band aus Bremen. Sie sind stilistisch im Post-Hardcore zuhause. O.k. - "bei allen Göttern des Metal-Olymps...was ist das denn wieder für eine Stilrichtung?" - mögt ihr jetzt (zurecht) fragen. Nun, Wie wir vielleicht wissen, gab es in den 90ern in den USA eine Hardcore-Punk-Szene, die musikalisch Elemente aus anderen Stilarten einbaute, unter anderem auch dem Metal. Aus dieser Stilrichtung ging dann später auch unter anderem der Crossover hervor. Bekannte Vertreter aus den 90ern wären da zum Beispiel Biohazard oder Agnostic Front. Heutzutage stehen Bands wie Walls of Jericho oder Rise Against für diesen Stil. Im Prinzip ist Post-Hardcore nun eine Weiterentwicklung dieses Stils mit improvisatorischen Komponenten wie beim Jazz oder dynamische Kontraste durch wechselnden cleanen oder geschrieenen Gesang. Wobei ich persönlich kein Freund von letzteren bin, weil heutzutage zu viele Leute ins Mic brüllen. Aber gut, wenn man es kann, ist die Welt ja in Ordnung.
Watch Out Stampede behaupten von sich, durch rasanten Sound, knallende Breakdowns, wütende Shouts und cleane Refrains Akzente zu setzen. Auf ihrer offiziellen Homepage könnt Ihr auch einige ihrer Lieder als Video bewundern.
Nun steht das Debüt am 13.06. an und wir sind nun mal gespannt, was da auf die Plattenregale zurollt. Hören wir also mal rein.
Review:
Die Scheibe umfasst 8+2 Tracks und ist recht schlicht gehalten. Mir lag ein Digipack vor. Die Texte sind direkt auf diesem festgehalten und nicht in einem Begleitheftchen.
Die letzten beiden Tracks Allspark und Emily stellen Bonustracks dar. Thematisch befassen sich die Songs mit Beziehungen. Nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch unter Freunden. Nun aber los:
Track 1: The Crucible
Windrauschen, Synthies und moderner Rhythmus - ein instrumentaler Introtrack und 43-sekündiger Auftakt zu...
Track 2: Witch Trial
Brachiale Shouts begrüßen uns und ein stimmiger Breakdown beginnt den Track nun richtig. Hier scheint die Ex auf die musikalische Anklagebank gestellt zu werden. Wütende Shouts unterstreichen das Thema und sowohl Riffing als auch überwiegend clean gesungener Refrain machen all dies zu einem sehr hörbarem Gesamtwerk. Auch für mich, der ja eher in der Ecke Hardrock und Powermetal zuhause ist, durchaus ein hörenswertes Stück.
Track 3: In Pictures
Dieser Track behandelt Oberflächlichkeit und den Trend, sich öffentlich zur Schau zu stellen und zu modifizieren, sodass von der eigentlichen Person nicht mehr viel wiederzuerkennen ist. Am Ende ist die besungene (weibliche) Person nur noch zu einem Objekt der Begierde degradiert - als Ende dieser selbstgewählten Entwicklung. Fishing for compliments - egal wie. Hierzu beglückwünsche ich die Band, auch mal was zu diesem Thema mit viel Zeitgeist geschrieben zu haben. Sie sprechen mir da irgendwie aus der Seele.
Musikalisch wird das ganze dann so umgesetzt: Ein einprägsames Riff mit eher zurückhaltenden Breakdowns begleitet eröffnet das Stück. Der Gesang setzt clean ein und das ganze schraubt sich recht harmonisch und melodisch in unser Gehör. Mit kraftvollen Shouts wird dann seinem Zorn über das Verfremden der besungenen Person Luft gemacht. Cleaner Gesang und Shouts wechseln sich hier auf interessante Art und Weise ab.
Track 4: Settler
Dieser Track ist ein ca. 1 Minute andauerndes instrumentales Intermezzo, kein eigenständiger Track. Er geht in...
Track 5: Reacher
auf. Hier konsultiere ich nochmal die Texte. Ich lese, dass die Band hier eine Beziehung zwischen zwei Menschen als ungleich empfindet. Beide irren gemeinsam durch das Leben, ohne den Horizont zu erkennen. Einer der beiden hat sich allerdings dem anderen ausgeliefert. Verletzt ist er nur noch Besitz des anderen. Selbstgewähltes Martyrium, wie man es leider in so mancher Beziehung beobachten kann. Ich hoffe, ich lag mit dieser Analyse richtig. Musikalisch beginnt das ganze mit mit hypnotisch wirkenden Riffs und sparsamen, aber kraftvollen Breakdowns. Der hypnotische Charakter setzt sich dann auch in der folgenden Strophe durch cleanen, mit sich selbst überlagertem Gesang fort, bevor die Shouts einen Gegenpunkt setzen. Der Songs weist interessante Tempowechsel auf. Leider tritt der Gesang ein wenig in den Hintergrund, sodass sich die Thematik erst bei mehrmaligem Hören erschließt (oder Doc hat einfach nur doofe Ohren). Soweit aber alles solide Arbeit, was die Band da abliefert.
Track 6: Noble Arch in Proud Decay
Dieser Song könnte stellvertretend für Beziehungen im Allgemeinen stehen. Jemand baut etwas auf und jedes Mal macht es der andere kaputt. Doch so sehr man aus dem Kreislauf ausbrechen will, so sehr benötigt man menschliche Nähe, egal wie sehr sie verletzt oder das erbaute mit einem Wink zerstört. Paradoxie des Seins, würde Dr. Freud hier sagen. Dieser Song schleppt sich etwas langsamer und bleierner voran. Die depressive Grundstimmung steht hier im Vordergrund, wird aber auch durch Stil- und Tempowechsel aufgelockert. Auch an diesem Song habe ich nicht viel zu meckern.
Track 7: We are the Branches
Hier scheint es um Selbstbetrug zu gehen. Wir entfernen uns voneinander, getrennt von einem Geflecht aus Lügen, das wir wie selbstverständlich vor uns her tragen und nicht hinterfragen. Dabei sind wir wie die Äste eines gemeinsamen Menschen-Baums. Vereinzelt bricht uns schließlich der Sturm ab und weht uns hinfort. Sehr lyrisches Bild.
Wie setzt die Band das ganze nun um? Melodisch und zeitgemäß eröffnet die Band den Gesang mit dem Refrain, bevor es zornig mit harten Breaks und brachialen Shouts weiter geht. Harmonisch und ausgewogen der Track. Gefällt mir sehr gut. Diesen Song kann man auch auf der Homepage anschauen - es gibt ein Video dazu.
Track 8: Monsters
Der letzte Song, bevor die beiden Bonustracks beginnen. Worum geht es hier? Die Band scheint hier ein Statement zu setzen. Im Geiste des Hardcore bezieht die Band Position gegen die Lügengebilde, die sich die Menschheit aufstellt und hinter der die Schwachen und Charakterlosen sich unter der Decke der Political Correctness verbergen. Sie lädt ein, sich den Aufrechten anzuschließen oder unterzugehen. Ein kraftvoll vorgetragenes Stück mit Attitüde. Hörenswert in jedem Falle.
Track 9: Allspark
Ja sind wir denn hier bei Transformers? Hier wartet ein schneller, aggressiver Track auf uns. Auch hier wechselt das Tempo öfters. Thematisch geht es hier scheinbar um das Streben nach Heimat, einer Heimat, die verloren gegangen ist oder durch die eigenen Hände zerstört wurde und an die immer wieder erinnert wird. Ganz brauchbares Stück.
Track 10: Emily
Ein Song über Liebe und innere Dämonen. Weniger ein romantisches Gefühl als eine Naturgewalt, die uns hinwegspülen wird und in die Knie zwingt. Wütend singt sich die Band noch ein letztes Mal durch die Thematik und dann reißt die Musik abrupt ab. Zurück bleiben wir in der Stille und überlegen, welcher Zug da gerade durch unsere Ohren gefahren ist. Wirkt fast kathartisch.
Tracks:
- The Crucible [0:43]
- Witch Trail [3:29]
- In Pictures [3:40]
- Settler [1:02]
- Reacher [3:40]
- Noble Arch in Proud Decay [3:53]
- We are the Branches [3:44]
- Monsters [3:37]
- Allspark [3:41]
- Emily [3:52]
Gesamtspielzeit: 31:21
Line-Up:
- Andreas Hildebrandt (Shouts)
- Dennis Landt (Clear Vocals, Gitarre)
- Stefan Poggensee (Bass)
- David Werner (Gitarre)
- Tolga Özer (Schlagzeug)
Fazit:
Tja, kommen wir zum Urteil. Prinzipiell ein handwerklich gut gemachtes Stück. Die Texte gefallen mir besonders gut und die Umsetzung ist zeitgemäß und modern. Dadurch, dass zwei der Tracks sehr kurz sind und eigentlich keine eigenständigen Stücke darstellen, wird das Album ein wenig kurz. Das Digipak kommt minimalistisch daher, aber immerhin standen die Texte zur Verfügung. Ich denke, wir haben hier ein solides Album vor uns, das Freunde dieser Spielart der Musik sicherlich unterhalten wird und daher...
... gibt es auf jeden Fall 4 von 6 Pommesgabeln!